„Max Emden – auch Leben ist eine Kunst“

Joachim Winkelmann erforscht das Schicksal des „Kaufhauskönigs“, der von den Nazis enteignet wurde. Jetzt ist ein Dokumentarfilm über Max Emden in die Kinos gekommen, in dem auch Winkelmann interviewt wurde. Von Matthias Greulich.

AUCH LEBEN IST EINE KUNST – DER FALL MAX EMDEN (Trailer) from FLORIANFILM GmbH on Vimeo.

Es war im Sommer 2014 als sich Joachim Winkelmann und Juan Carlos Emden ganz in der Nähe des Botanischen Gartens trafen. Emden war aus Chile angereist und freute sich über das Straßenschild, das an seinen Großvater erinnert. Der Max-Emden-Weg führt vom Hesten am Poloplatz vorbei zum Hemmingstedter Weg. Dass der Wanderweg nun nach dem Voreigentümer des Geländes heißt, ist auf den Einsatz des Pensionärs aus Osdorf zurückzuführen, der die Politiker in der Altonaer Bezirksversammlung mit vielen von ihm recherchierten Fakten überzeugt hat. Als wir ihn in seinem Arbeitszimmer besuchen, erzählt er detailreich die Lebensgeschichte eines visionären Kaufmanns mit großem Kunstsachverstand, der in der NS-Zeit einen Großteil seines großen Vermögens verlor.

Häufiger fällt im Gespräch der Name Eduard Pulvermann, mit dem Winkelmann, 82, seine Geschichtsforschung vor einigen Jahren begonnen hat. Über den Kaufmann, Polospieler und Springreiter, der 1944 an den Folgen von im KZ Neuengamme erlittenen Misshandlungen stirbt und nach dem das Hindernis „Pulvermanns Grab“ beim Deutschen Spring Derby benannt ist, hat er 2007 ein aufwändig recherchiertes Buch veröffentlicht. Der promovierte Internist Winkelmann hat nie etwas mit Springreiten oder Polo zu tun gehabt. Aber während er in den Bibliotheken in Zeitungsarchiven oder Originalakten liest, wächst in ihm die Einsicht, dass man zumindest versuchen sollte, „irgendetwas wieder gut zu machen“.

Es passiert während der Arbeit am Pulvermann-Buch, dass Winkelmann auf Max Emden aufmerksam wird. Der Nienstedtener Dorfchronist Herbert Cords sagt zu ihm: „Sie müssen sich um Max Emden kümmern.“ Und Winkelmann macht sich an die Arbeit. Fast zwei Jahre liest er in Bibliotheken und Archiven alles, was er über die Familie Emden finden kann, die seit 1794 im Hamburger Adressbuch verzeichnet ist. Die wohlhabende jüdische Kaufmannsfamilie handelt mit Textilien, aber auch mit „Bändern aller Sorten und Garn“.

Nach dem Bau des KaDeWe wird Emden „Kaufhauskönig“

1904, Emden ist 30 Jahre alt, wird er Teilhaber der väterlichen Firma M. J. Emden Söhne am Rödingsmarkt. Dem „Engroshaus für sämtliche Waren der Textilindustrie und Ausstattung von Warenhäusern“. Max Emden beginnt nun selber Warenhäuser zu bauen. Zunächst das Oberpollinger in München, dann das KaDeWe in Berlin. In Hamburg Kaufhaus Poetsch am Schulterblatt; in Wandsbek Kaufhaus Petersen; in Danzig Gebrüder Freymann und weitere in Chemnitz, Plauen, Potsdam, Stockholm und später in Budapest. „Er betrieb die Warenhäuser nicht unter seinem Namen“, so Winkelmann. Ihm gehörten die Grundstücke und die Gebäude, die er verpachtete. In den Zeitungen wird Emden dennoch bald „Kaufhaus-König“ genannt. Damit ist es 1926 vorbei, als sich der Kaufmann mit 52 Jahren weitgehend aus dem aktiven Geschäftsleben zurückzieht. Er verkauft seine inländischen Kaufhäuser an Rudolph Karstadt und verlässt Hamburg in Richtung Tessin.
Der vermögende Flottbeker sammelt Gemälde

In seiner Jugend spielt Emden leidenschaftlich Polo im Jenischpark. Mit dem Künstler Max Liebermann ist er befreundet. Es liegt nah, dass er einer der Spieler auf Liebermanns berühmtem Gemälde der „Polospieler im Jenischpark“ ist. Dem Hamburger Polo Club und dem Hamburger Golf Club, in dem er Schriftführer ist, stiftet er jeweils ein Clubhaus im damals revolutionären Bauhaus-Stil. Beide Clubhäuser wirken heute immer noch zeitlos schön.

Den Ball in der Hand: Max Emden war begeisterter Polospieler.

Der kunstsinnige Emden hatte sich 1906 für 200.000 Mark das Landhaus Sechslinden in der Jenischstraße vom Reform-Architekten Wilhelm Fränkel bauen lassen. Das Gebäude beherbergt heute das Jenisch-Gymnasium. „In Andeutungen sind Reste des kunstvoll angelegten Gartenparks auf dem Schulgelände noch zu sehen“, so Winkelmann. In seinem Landhaus sammelt Emden Kunst des 19. Jahrhunderts. So auch zwei Gemälde von Bernardo Bellotto, der sich Canaletto nannte: „Der Zwingergraben in Dresden“ und „Die Karlskirche in Wien“. Die Gemälde nimmt er mit ins Tessin.

Ab 1933 beginnt die gezielte Demontage des Kaufmanns

Als die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, gilt der zum evangelischen Christentum konvertierte Emden nach den Rassengesetzen des Regimes als „Nichtarier“, dessen Eigentum in Deutschland auch die Schweizer Staatsbürgerschaft nicht schützt, die er seit 1934 besitzt. „1935 begann mit dem erzwungenen Verkauf seiner Klein Flottbeker Ländereien weit unter Wert an die Stadt Altona seine gezielte Demontage“, so Winkelmann. Die Pachteinnahmen aus seinem Danziger Kaufhaus brechen 1937 ein, als die Nazis einen Boykott des Warenhauses organisieren. Hinzu kommen „Steuerschulden“ für die „Arisierung“. Es folgen in schneller Folge die anderen Immobilien. Emden ist gezwungen, seine wertvolle Sammlung über den zum Teil zwielichtigen, mit dem NS-System kooperierenden Kunsthandel zu verkaufen.

1938 kommt der „Zwingergraben“ über mehrere Händler in Adolf Hitlers private Sammlung. Das Gemälde ist für das „Führermuseum Linz“ bestimmt. Nach dem Krieg wird es von den US-Amerikanern an die Bundesrepublik übergeben. Bis 2005 hängt es in der Villa Hammerschmidt des Bundespräsidenten. Ansprüche von Emdens Erben auf das Bild werden vom Bundesfinanzministerium bis heute abgelehnt, weil es „1938 aus der sicheren Schweiz“ verkauft wurde. Das Kriterium „Raubkunst ist nicht anzuwenden“.

Als Max Emden 1940 stirbt, darf sein Sohn Hans Erich nur kurz in die Schweiz einreisen. Er ist vom Deutschen Reich ausgebürgert worden und bekommt mit viel Mühe einen chilenischen Pass. In Chile lebt Hans Erich Emden bis zu seinem Tod 2001.

Die Chance, dass sich Joachim Winkelmann und der Enkel von Max Emden wieder sehen, ist groß. Juan Carlos Emdens Tochter Maeva lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Hamburg. Der Sohn Frederick wird am Elbufer, nicht weit von dem nach seinem Urgroßvater benannten Max-Emden-Weg entfernt, zum Hotelfachmann ausgebildet.

Am Max-Emden-Weg: Joachim Winkelmann (l.) und Juan Carlos Emden bei ihrem Treffen im Sommer 2014.

„Auch Leben ist eine Kunst“
Am 28. Oktober 1874 wird Max James Emden in Hamburg geboren und wächst in Harvestehude auf. Er macht sein Abitur am Wilhelm Gymnasium und eine Lehre im Geschäft der Familie. Als 19-Jähriger konvertiert er zum evangelischen Christentum.
Emden studierte Chemie und Mineralogie in Heidelberg, Genf, Zürich und Leipzig, wo er 1898 zum Dr. phil. promoviert. 1910 heiratet er die in Chile geborene Concordia Gertrud Hélène Anna, genannt Anita Sternberg aus Klein Flottbek. 1926 trennt sich das Ehepaar Emden. Max Emden zieht in die Schweiz, wo er die Brissago Inseln im Lago Maggiore kauft und sich dort ein palastartiges Haus baut. Über die Einfahrt der Bootsgarage setzt er sein Motto: „Auch Leben ist eine Kunst.“ Nach jahrelangem Widerstand der Schweizer Bundespolizei wird er 1934 Schweizer Staatsbürger. Am 26. Juni 1940 stirbt Max Emden in seiner Wahlheimat an einem Herzinfarkt.

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