Grünenchefin: „Debatte über Aufkleber ist absurd“

Anna Gallina hat 2003 auf der Ida Ehre Schule ihr Abitur gemacht. „Ich bin stolz auf meine alte Schule! Eine Schule ohne Rassismus und eine Schule mit Haltung, die sich nicht klein machen lässt von einem rechten Denunziationsportal! Meine Solidarität habt ihr!“, twitterte die Landesvorsitzende der Hamburger Grünen, nachdem die AfD der Schule in einer schriftlichen kleinen Anfrage an den Senat „Verfassungsfeindliche linksextremistische Aktivitäten“ vorgeworfen hatte.

Das war passiert: In einem Klassenraum im Oberstufenhaus am Lehmweg hatte ein Unbekannter Fotos von Antifa-Aufklebern gemacht und auf der umstrittenen AfD-Plattform „Neutrale Schulen Hamburg“ hochgeladen. Auch eine „A.C.A.B.“ (All Cops are Bastards)-Schmiererei im Treppenhaus wurde fotografiert. Aufgrund der Senatsanfrage hatte die Schulbehörde in den Frühjahrsferien die Aufkleber entfernen und den Schriftzug übermalen lassen. In verschiedenen Medien war über den Vorgang berichtet worden, zuerst vom „Hamburger Abendblatt“, das titelte „Linksextremisten agieren ungestört an Schule“. In der Onlineausgabe war die Überschrift vier Tage später nach Leserkritik in ein neutraleres „Behörde geht gegen Antifa-Werbung an Ida-Ehre-Schule vor“ abgeändert worden.

Keine Zeit für Schule „faktenbasiert zu antworten“

Anna Gallina (35) kritisiert die Debatte in einer gemeinsam mit Emilia Fester, Sprecherin der Grünen Jugend Hamburg verfassten Pressemitteilung: „Aus Aufklebern an der Schule abzuleiten, hier dürfe ungestört extremistisches Gedankengut verbreitet werden, ist absurd und völlig überzogen.“

Weil die AfD-Anfrage am Abend des letzten Schultages vor den Frühjahrsferien gestellt worden war, hatte die Schulleitung der Ida Ehre Schule zunächst keine Stellungnahme abgegeben. Diese folgte zwei Tage nach der verheerenden Berichterstattung. Die monierte Aufklebersammlung auf einer Pinnwand sei im Rahmen einer Projektvorhabens des Oberstufenprofils „Sich Einmischen – Kunst als kulturelle Kompetenz“ entstanden. Der Lehrkraft sei nichts vorzuwerfen. „Rückblickend hätte man bei den Aushangen den pädagogisch-didaktischen Kontext transparent machen müssen, damit auch ,klassenfremde’ Personen den Zusammenhang hätten erkennen können“, so Schulleiter Kevin Amberg. Die Veröffentlichung der Fotos aus einem nicht öffentlich zugänglichen geschützten Raum und die Nennung der Klasse sei „hoch problematisch“.

Die monierten Aufkleber auf dem Schulgelände befanden sich nicht öffentlich einsehbar in einer Sitzecke. „Selbstverständlich trug und trägt die Schulleitung die Verantwortung dafür, dass entsprechende Aufkleber entfernt werden.“

In ihrer Stellungnahme kritisiert die Schulleitung, dass in den Medien berichtet wurde, ohne, dass die betroffene Schule die Zeit hatte, „faktenbasiert zu antworten“. Dies sei fahrlässig. Außerdem bestehe der Eindruck, dass „in dem dargestellten Zusammenhang die Ida Ehre Schule für die Durchsetzung politischer Interessen instrumentalisiert wird“. Gerade im Geiste der Namensgeberin Ida Ehre, die als Jüdin in der NS-Zeit inhaftiert worden war, sei Meinungsvielfalt und eine konsequent antifaschistische Haltung „ein Teil des schulischen Leitbildes der Ida Ehre Schule“.

Schule mit Courage
Die Ida Ehre Schule in der Bogenstraße ist im Gebäude der früheren Jahnschule untergebracht. Ende der 1920er-Jahre eröffnet, wurde sie bald zu einer Vorzeigeschule der Nationalsozialisten, in der Nazilehrer Kinder für den Kriegseinsatz und den völkischen Kampf vorbereiten wollten. Juden, Kommunisten, Oppositionelle, alle, die anders als das Nazi-Ideal waren, wurden ausgegrenzt.

Die Ida Ehre Schule versteht sich als „Schule ohne Diskrimierung“. Mehrmals gewannen Schüler den Bertini-Preis für Zivilcourage, unter anderem für die Dokumentation „Steine des Anstoßes“. Gioardano sagte 2012 über die Ida-Ehre-Schüler: „Es ist genau die Jugend, die ich mir in meiner lebenslangen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seiner Hypothek immer erhofft und gewünscht habe.“

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