Hamburger des Monats: Mecit Cetinkaya

Vor 20 Jahren begann er, Boxtalente in Finkenwerder zu trainieren. Erfolge im Amateurbereich stellten sich bald ein. Einer seiner Schüler, Mahir Oral (34 Kämpfe, 28 Siege), boxte als Profi sogar um den WM-Titel. Wichtiger als eine Medaille ist Mecit Cetinkaya allerdings, dass seine Kämpfer eine Berufsausbildung machen. Der 43-Jährige wurde mit dem Integrationspreis des Bezirksamtes Hamburg-Mitte ausgezeichnet. Interview: Matthias Greulich

Stimmt es, dass Fatih Akin die Idee für einen Film über einen Ihrer ehemaligen Boxer im Kopf hat?

Mecit Cetinkaya: Stimmt. Fatih wollte Mahir Oral ein bisschen einspannen für einen Film. Er war mit dabei bei einigen Kämpfen. Warum nicht? Ist ja wirklich ne gute Story.

Wie geht Mahir Orals Geschichte?
Der Junge ist hier in Finkenwerder aufgewachsen. Kämpft sich durch die verschiedenen Jahrgänge im Amateurbereich. Sie können sich nicht vorstellen, was für Schwierigkeiten ich damals hatte, Mahir in die Nationalmannschaft zu bringen. Obwohl er sie alle in Grund und Boden geboxt hat. Dennoch war er nur zweite oder dritte Wahl, das war schon hammerhart. Aber irgendwann kamen sie nicht mehr an ihm vorbei. Es war zu offensichtlich, dass er besser war.

Später wurde er Profi.
Er hat gegen Artur Abraham und Sebastian Sylvester um den Weltmeistertitel geboxt Zwar verloren, aber egal. Man muss nicht immer gewinnen, um als Sieger zu enden. Aber das Profiboxen ist nicht so unsere Welt.

Eine Berufsausbildung ist wichtiger als der Weltmeistertitel.

Das Trainingspensum muss stimmen, aber den Beruf darf man nicht vergessen. Manchmal sagt jemand drei Wochen vor einer wichtigen Meisterschaft: „Trainer, ich kann nicht.“ Dann stehst du da wie eine Banane. Der Trainer in mir ärgert sich, weil wir ein ganzes Jahr gearbeitet haben. Dann macht es kling und ich sage „Ist schon richtig.“ Ich lege großen Wert darauf, dass die Jungs nicht stehen bleiben. Damit sind wir immer sehr gut gefahren. Bislang hatten wir keinen einzigen Problemfall. Ich kenne Beispiele von anderen Sportlern, die sehr tief gefallen sind. Auch im Amateurbereich. Du nimmst den Sport einige Jahre sehr ernst und irgendwann ist alles weg. Das ist bei uns noch nicht passiert. Ich kann sehr gut eingreifen. Wenn einer Probleme hat, eine Lehrstelle zu finden, können wir viele Leute ansprechen, um zu helfen. Ich hatte hier einen Jungen aus Kenia der nur drei Worte Deutsch sprach. Ich habe ihm eine neue Stelle in Stade besorgt. Ein ganz toller Bengel. Ich kann doch nicht hingehen und sagen: „Lern‘ erst mal Deutsch“, wenn man weiß aus welchen Verhältnissen er kommt.

Was lernt ein Boxer, wenn er allein im Ring steht?
Das ist eine prägende Erfahrung. Die Jungs trauen sich dadurch viel mehr zu. Ich habe einen Jungen, der aussieht, als könne er keine Maus erschrecken. Der hat bei Deutschen Meisterschaften schon mehrere Medaillen geholt. Das Geilste ist: Der Junge studiert Chemie. Es prägt, etwas zu erreichen. Zu erfahren: „Mensch, ich bin ja auch was wert. Auch wenn ich in der Schule nur Vieren oder Fünfen schreibe.“ Irgendwann merken sie, dass wir Trainer uns um sie kümmern. Und du bekommst postwendend die Antwort zurück. Wenn du dich ein bisschen einsetzt ohne etwas vorauszusetzen, bekommst du etwas zurück.

Sie haben für Ihre Arbeit 2010 einen Bürgerpreis für „herausragendes Engagement in der Integrationsarbeit“ des Bezirksamtes Hamburg-Mitte bekommen.
Eine Dame von der GAL rief mich an. „Wir würden Sie gerne vorschlagen.“ Ich sagte: „Dann machen Sie das doch.“ Natürlich freut mich das. Ich bin aber nicht der einzige, der daran Anteil hat. Alleine kann man nicht viel schaffen. Der Verein ist wichtig: Der TuS Finkenwerder gibt uns die Möglichkeit, uns zu entfalten. Das ist nicht selbstverständlich. Gerade in Finkenwerder, dem alten Fischerdorf. Die alteingesessenen Institutionen, die Parteien, selbst SPD und Grüne, sind hier konservativ. Wir versuchen, etwas zu verändern und geben eine Menge. Aber da bewegt sich niemand einen Millimeter.

Beim WM-Kampf gegen Sylvester in Rostock haben Ihre Boxer Mahir Oral mit der Finkenwerderaner Flagge angefeuert. Die sind da offenbar schon weiter.
Die fühlen sich in Hamburg zuhause. Sie sind zwar teilweise irgendwo anders geboren, aber das ist hier ihr Zuhause. Sie kennen hier jeden Stein. Die identifizieren sich mit ihrem Stadtteil und das finde ich großartig. Wenn ich daran denke wie es war, als ich 1977 mit sieben Jahren nach Deutschland gekommen bin, ist das ein sehr großer Fortschritt. In den letzten 20 Jahre ist viel passiert.

Das Interview ist in der Szene Hamburg 1/2012 erschienen.

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