Einst brachte Steffen Hallaschka Kleidung in einer Obdachlosentagesstätte in Altona vorbei, bald wurde der TV-Moderator zum Schirmherr der Einrichtung, die es seit 20 Jahren gibt. Von Matthias Greulich
In der Zeitung, die auf dem Tisch liegt, ist der Sportteil mit der Bundesligatabelle aufgeschlagen. Der HSV-Fan in der Obdachlosentagesstätte schüttelt den Kopf über den Tabellenletzten, der wieder verloren hat. Steffen Hallaschka versucht, ihn aufzumuntern. Als Anhänger des nicht minder erfolglosen FC St. Pauli, eine Liga tiefer, weiß der Fernsehmoderator von „Stern TV“ wie es sich anfühlt, wenn die eigene Mannschaft nicht mehr gewinnen kann.
Hallaschka (44) ist als Schirmherr regelmäßig in der Tagesstätte MAhL ZEIT zu Besuch, in der sich an diesem Montagmorgen bereits einige Obdachlose aufwärmen und Kaffee trinken. 20 Jahre gibt es die Einrichtung inzwischen, das wurde im November mit Ehrenamtlichen und Gästen an zwei Abenden gefeiert.
Fast könnte man meinen, die Stadt hätte die Aufmerksamkeit für Obdachlose an die Kirchen und engagierte Bürger ausgelagert: Aus der Hamburger- oder Bezirkspolitik war niemand zum Festakt gekommen, von Bürgermeister Olaf Scholz, der nicht weit entfernt von der Billrothstraße wohnt, ganz zu schweigen.
Im letzten Jahr kam die Einrichtung an ihre Grenzen
Groß gefeiert wurde aber auch ohne den Bürgermeister. „Das war ein toller Abend, weil es gelungen ist, auch mal die ehrenamtlichen Helfer der MAhL ZEIT hochleben zu lassen. Mich hat außerdem gefreut, dass die Kunst-Versteigerung eine solche Dynamik entfaltet hat“, sagt Hallaschka, der den Abend moderierte. Bilder-Spenden der Künstler Alexander Surmann, Uli Pforr und Ully Arndt wurden amerikanisch versteigert. Weit über 1.000 Euro kamen am Ende zusammen.
Entstanden ist die kirchliche Einrichtung 1996 aus der Altonaer Bahnhofsmission. Von Anfang an wurde sie von Marion Sachs geleitet, die sich auch nach 20 Jahren nicht vorstellen könnte, woanders zu arbeiten. „In der Einrichtung herrscht ein guter Ton. Marion Sachs leitet die Tagesstätte mit Herzenswärme, gibt aber auch klare Regeln vor“, sagt Hallaschka, der im Gespräch leiser redet als man es von einem erfolgreichen Fernsehjournalisten erwarten würde.
Im letzten Jahr kamen die Festangestellten und Ehrenamtlichen allerdings an ihre Grenzen. Einige langjährige Helfer mussten aufhören, auf einmal war vieles weggebrochen. Obwohl Eigenlob riechen kann, muss gesagt werden, dass ein Aufruf im Elbe Wochenblatt am Wochenende mitverantwortlich dafür war, dass sich neue Helfer für Essensausgabe, Kleiderkammer und Duschräume meldeten.
„Mir blutet das Herz, wenn die Duschräume aus Personalmangel nicht öffnen können“, sagt Hallaschka, der mit seinem Gewinn aus einer Promiausgabe von „Wer wird Millionär?“ half, die Duschen umfassend sanieren zu können.
Neben den Duschräumen zeigt uns Marion Sachs einen neuen Medikamentenschrank, der noch leer ist. Im nächsten Jahr soll hier eine medizinische Ambulanz eingerichtet werden. Als dafür Ärzte, die ehrenamtlich helfen, gesucht wurden, war es von Vorteil, dass Hallaschka selber Fußball spielt. „Bei einem Benefizspiel habe ich die Placebo-Kickers kennengelernt. Das sind tolle Leute, die meisten von ihnen Mediziner. Mit ihrer Hilfe wollen wir eine medizinische Ambulanz für unsere obdachlosen Gäste auf die Beine stellen.“
Bedarf an anderen Ehrenamtlichen gibt es weiterhin. Menschen im Vorruhestand, die in der Gastronomie oder Pflege gearbeitet haben, sind besonders geeignet. Aber auch eine Nachfolgerin für die Friseurin, die den Obdachlosen die Haare geschnitten hat, wäre sehr willkommen.
Steffen Hallaschka macht den Weihnachtseinkauf
Seit acht Jahren wohnt Hallaschka in Altona. Als er Sachen für die Kleiderkammer vorbeibrachte, lernte er Marion Sachs kennen. Der 198 Zentimeter große TV-Journalist fungiert auf Wunsch der umtriebigen Leiterin seitdem als Außenminister der Tagesstätte, der kurz vor Heiligabend seinen großen Auftritt hat. „Ich bin für die bunten Teller bei der Weihnachtsfeier zuständig. Für mich ist es der schönste Einkauf des Jahres, wenn ich dafür in einem Großmarkt in Altona unterwegs bin.“
Es ist besonders wichtig, dass die MAhL ZEIT auch an Heiligabend und Weihnachten geöffnet hat. Viele Gäste erinnern sich an den Feiertagen intensiver an ihre Familien, mit denen sie keinen Kontakt mehr haben. Da wäre es doppelt hart, wenn ein Anlaufpunkt geschlossen wäre.
40.000 Euro Spenden pro Jahr werden gebraucht
Der Kirchenkreis Altona sorgt für die Basisfinanzierung der Tagesstätte mit zwei festangestellten Mitarbeiterinnen, rund 40.000 Euro pro Jahr müssen zusätzlich durch Spenden reinkommen. Einiges kommt dabei aus der Nachbarschaft zusammen, in der die MAhL ZEIT absolut akzeptiert ist. Im Hof ist eine Kindertagesstätte, wo die Kinder ganz nebenbei etwas über die Lebenswirklichkeit erfahren. „Die Obdachlosen sorgen selber dafür, dass es vor der Einrichtung sauber ist“, sagt Marion Sachs. Wenn neue Gäste gelegentlich über die Stränge schlagen, erklärt sie ihnen, wie sehr sie damit der Einrichtung schaden.
Die Feier zum 20-jährigen Bestehen hat die Gäste nicht nur körperlich gewärmt. „Den Musiker, den alle so gut fanden, habe ich besorgt“, sagt der HSV-Fan zu Steffen Hallaschka. Er lacht und hat die Zeitung mit den beiden Bundesligatabellen so gedreht, dass Hamburg und St. Pauli nun doch ganz oben stehen.
Spenden
Herrenkleidung in allen Größen: Unterwäsche und Strümpfe, vor allem strapazierfähige, wetterfeste Oberbekleidung für alle Jahreszeiten und Schuhe werden gebraucht..Tierfutter: Die Tagesstätte ist die einzige Einrichtung, in der zweibeinige Gäste ihre Gefährten mitbringen dürfen. Diese brauchen ihr Hundefutter.
Kontakt zur MAhL ZEIT
Obdachlosentagesstätte MAhL ZEIT, Billrothstraße 79,
Öffnungszeiten für Spender: montags bis donnerstags von 9 bis 14.30 Uhr
marion.sachs@diakonie-hhsh.de
Tel. 38 03 88 09
❱❱ www.mahlzeit-altona.de/spenden/