„Eine Büchse Bier und ein kaltes Kotelett, bitte“

Rolf Claussen, Stefan Gwildis und Joja Went über Hamburger Stadtteile: Die Söhne Hamburgs im Interview vor ihrem Konzert in der Barclaycard Arena.

Stefan, Rolf und Joja, wir haben uns das so gedacht: Wir nennen euch einige Stadtteile und ihr sagt bitte, was euch dazu einfällt. Wir starten mit … Fischbek.
Joja Wendt: Eine unbeugsame Enklave südlich der Elbe. Es gibt Leute die behaupten, es sei ein bisschen zwischen den Harburger Bergen und der Elbe eingezwängt. Was aber nichts aussagt über den Horizont der Menschen, die dort leben.
Rolf Claussen: Und ich war von den Socken, dass es dort die Fischbeker Heide gibt. Ich bin dort neulich herumgelaufen. Wirklich traumhaft. Und es gibt ein sehr gutes Volleyball-Team.
Joja Wendt: Als Tischtennisspieler des TTC Grün-Weiß-Rot weiß ich, dass es dort einen sehr guten Klub gibt. Wir sind aus der Landesliga in die Hamburg-Liga aufgestiegen. In Fischbek spielen sehr viele junge Spieler, die sehr gut spielen.

Und Neuenfelde?
Joja Wendt: Klar, habe ich gegen Neuenfelde gespielt. Alles Kumpel. Spitzentypen. Die kommen uns immer wieder vor die Flinte. Spielen sehr sehr gut Tischtennis, allerdings haben sie keine starke Personaldecke. Nur vier Typen, die sehr gut spielen.

Und wenn die Apfelernte ist, wird die Decke noch dünner.

Joja Wendt: Genau. Ein Spieler fällt dann wegen der Ernte aus. Dann wissen wir schon zu Saisonbeginn, dass wir uns Chancen ausrechnen können.

Die Veddel.
Rolf Claussen: Natürlich. Veddel-Hosen. Die musste man haben. Mit dem 120er-Schlag.
Stefan Gwildis: Hast du gehabt?
Rolf Claussen: Ne, ich durfte nicht. Aber das war wirklich sensationell. Da fuhr man hin, da wurden einem die Hosen auf den Leib genäht. Es war ja eigentlich Berufsbekleidung. Bis zum Knie eng und unten den größtmöglichen Schlag.
Stefan Gwildis: Der Schlag war aber so, dass man sich derbe hingelegt hat. Wie im Song (singt) „Eine Veddel-Hose braucht keine Bügelfalte“. Für mich ist auch Veddel, dass Eddy Winkelmann dort sein Studio hat. Und mir fällt Lagerarbeit ein. Da gab’s mehrere Lagerhäuser. Da habe ich’ ne Menge gejobbt.

Wie gefällt euch Harburg?
Joja Wendt: Harburg gehört ja nicht mehr zu Hamburg. In Harburg fängt der Balkan an, so sagte man doch.
Stefan Gwildis: (mit tiefer Stimme) Wenn ihr keine Zuschauer aus Harburg haben wollt.
Joja Wendt: Nein, Harburger sind entzückende Menschen. Im Ernst: Wir haben viel in Harburg gespielt. Dort gab es viele Kneipen wie das Consortium. Raus an der B73 gibt es ein Einkaufszentrum, wo wir viele Auftritte hatten. Die Leute haben das Herz auf dem rechten Fleck. Die mochten das auch, was wir gemacht haben.

Was fällt euch zu Wilhelmsburg ein?
Joja Wendt: Das ist das neue Rückzugsgebiet von den hippen Leuten. Weil da Wohnungen noch bezahlbar sind. Wilhelmsburg und Harburg sind wahnsinnig im Kommen, was das angeht.

Langenfelde.
Joja Wendt: Kenne ich überhaupt nicht.
Rolf Claussen: Ja, das ist an der S3.

Ganz in der Nähe von Eimsbüttel.
Rolf Claussen: Super Stadtteil. Zu meiner Studienzeit war da Kneipenkultur in der Eichenstraße mit dem „Fasan“. Viel lebendiger als der Osten von Hamburg. Wenn man was erleben wollte, dann musste man mindestens bis Eimsbüttel. An der Eichenstraße gab es ein Vier-Länder-Eck mit vier Pinten. Weiter musste man gar nicht. Weiter kam man auch gar nicht.
Joja Wendt: Abi Wallenstein wohnt übrigens da auf der Ecke.
Rolf Claussen: Später war Eimsbüttel dann Zentrum des Widerstands bei Demos. Da waren im Bezirksparlament mit die ersten grünen Abgeordneten.
Joja Wendt: Der kennt sich aus der Bursche.
Rolf Claussen: Und einen Parkplatz findet man gar nicht. Parkplatzsuche völlig chancenlos.

St. Pauli.

Joja Wendt: Da schlägt das Herz der Subkultur. Eine Menge an Hamburger Originalen, die dort wohnen. Eine Menge an Auftrittsorten für Musiker. Ganz wichtig für eine Stadt, damit die Szene lebendig bleibt. Klar, auch ein Touristengebiet. Aber die halten auch die wirtschaftliche Kraft eines Stadtteils am Brodeln.
Rolf Claussen: Für uns war das Schmidt-Theater der Start. Zuvor war der Kiez eine No-Go-Area. Zunächst gingen die bürgerlichen Hamburger nicht hin. Dann wurde es wiederentdeckt. Was ich sehr gerne mag, ist der Hein-Köllisch-Platz, weil Tou-risten da nicht so hinkommen und es eine sensationell hübsche Kirche gibt, die viele nicht kennen. Eine Gemeinde mit einer wirklich unglaublich guten Arbeit. Die weltoffen sind. Die mitmischen und im Viertel eingebunden sind. Sie ergreifen Partei für die Benachteiligten. Das ist für mich eine Richtung, wohin sich die Kirche entwickeln
müsste.
Joja Wendt: Es wird natürlich immer hipper und entsprechend auch teurer dort zu wohnen.
Stefan Gwildis: Und es gibt in der Nähe die Rambachstraße. Da ist mein Vater geboren. Meine Großmutter Martha hatte im jetzigen Portugiesenviertel eine Kneipe. Die Normalbestellung für eine ausgewogene Ernährung eines Hafenarbeiters oder Schauermanns war: (tiefe Stimme) „Geben Sie mir mal bitte eine Büchse Bier und ein kaltes Kotelett.“ Und dazu den Flachmann auf dem Tresen.
Joja Wendt: Türlich.
Stefan Gwildis: Mein Großvater war Getreidekontrolleur im Hafen. Mein Onkel auch.

Habt ihr Lieblingsorte auf St. Pauli?
Joja Wendt: Ich war früher immer in einem griechischen Restaurant in der Davidstraße schräg gegenüber von Cuneo, wo wir auch oft essen waren. In dem griechischen Restaurant bin ich mit meiner Frau immer versackt. Bis morgens um acht gibt es noch was zu essen.
Stefan Gwildis: Vom Holzkohlegrill.
Joja Wendt: Genau. Und die griechische Familie hatte ihre Oma noch mit im Betrieb. Es gab Ouzo und es wurde auf den Tischen getanzt.
Rolf Claussen: Die Speisekarte wurde an die Wand gemalt und hat sich auch seit 20 Jahren nicht geändert. Kompromisslos. Auch keine Pommes oder sowas.

Es geht ein paar Stufen hoch
.
Joja Wendt: Dass du das kennst.

Hilft ja nichts. Stefan, was verbindest du als Hockeyspieler mit Groß Flottbek?

Joja Wendt: Ich wohne da übrigens.
Stefan Gwildis: Als Hockeyspieler waren das harte Spiele. Ich habe ja bei St. Georg gelernt. Nach Flottbek zu fahren war für uns früher immer ein Riesenvergnügen: Auf dem Bahnhof gab es Fassbrause. Da gab es einen kleinen Kiosk auf dem langgestreckten Bahnsteig. Wir haben die lange Fahrzeit meistens dazu genutzt, eine Menge Unsinn zu machen, beispielsweise Schilder abzuschrauben. Ist verjährt zum Glück.
Rolf Claussen: Na, ich weiß nicht.
Stefan Gwildis: Wir haben natürlich alle Schraubenzieher dabei gehabt. Es waren Schilder, auf denen „Nicht öffnen, bevor der Zug hält“ oder „Notausstieg“ stand. Die Schilder haben wir zuhause wieder angeschraubt.
Joja Wendt: Kennt ihr noch „Das steigen auf eiersäcke ist erlaubt.“ (Auf dem Schild „Das Aussteigen auf freier Strecke ist nicht erlaubt“ wurden alle störenden Buchstaben durchgestrichen, Anm.d.Red.)
Stefan Gwildis: An der Strecke sind die ganzen Elbvorortsvereine: Flottbek, Polo, Rissen. Wenn wir auf dem Poloplatz gespielt haben, war das immer der Auslaufplatz von den Pferden. Wenn die galoppiert sind, haben sie hinten unfassbar di-cke Löcher hinterlassen. Manchmal ist die Hockeykugel in so ein tiefes Loch gefallen. Wir haben die nicht mehr wiedergefunden. Wirklich. Das sind Phänomene für Hockeyspieler in den Elbvororten in den (überlegt) sechziger Jahren.

Müsst ihr dem Publikum viele solche Dinge über Hamburg erklären, wenn ihr südlich des Mains auf der Bühne steht?
Stefan Gwildis: Wir waren gerade in Mainz. Dort haben sie „Moin, Moin, Moin“ mitgesungen.
Joja Wendt: Hamburg ist im Rest der Republik sehr hoch angesehen. Viele Leute finden Hamburg toll, weil die Leute offen und liberal sind. Vom guten Ruf profitieren wir als Söhne Hamburgs.


Die Söhne Hamburgs

Jeder für sich hat sich in vielen Jahren ein treues Publikum erspielt: Im vergangenen Jahr spielten Pianist Joja Wendt (53), Soulsänger Stefan Gwildis (59) und der anarchische Rolf Claussen (57) das Album „Moin. Moin. Moin“ ein. Alle drei kennen sich lange, Gwildis und Claussen sogar schon aus der Schule. Ihr gemeinsamer Freund Otto Waalkes gab der Band ihren Namen. Das Debüt der Söhne Hamburgs kam so gut an, dass jetzt
eine Deutschland-Tour
ansteht.

❱❱ Die Söhne Hamburgs
Freitag, 8. Dezember, 20 Uhr
Barclaycard Arena, Sylvesterallee 10, Tickets (39,80 bis 57
Euro plus Gebühren) unter
Tel. 08106/57 00 70 (20 Cent aus dem Festnetz, maximal 60 Cent aus dem Mobilfunknetz) oder unter www.eventim.de

Weitere Termine:
So., 10.12.17 Heide Stadttheater
Mo., 11.12.17 Kiel Schloss
Di., 12.12.17 Flensburg Deutsches Haus
Mi., 13.12.17 Husum NCC
Fr., 15.12.17 Celle Congress Union Celle
Sa., 16.12.17 Cuxhaven Kugelbakehalle
Mo., 18.12.17 Wilhelmshaven Stadthalle
Di., 19.12.17 Lübeck MuK

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