Der Verein Migrakult hat den Altonaer Kinder- und Jugendpreis 2023 gewonnen. Ein Besuch in Osdorf. Von Matthias Greulich
Lang – lang – lang – lang – kurz – kurz. BüŞra gibt auf der Trommel den Takt vor. Lang mit der rechten Hand, die Synkopen spielt das Mädchen mit den bunten Haarbändern mit links. Es ist Mittagszeit im Bewegungsraum des Bürgerhauses Bornheide. Ein Dutzend Kinder sitzt im Halbkreis vor Musiklehrerin Aylanur Kaplan und übt den Takt, bis es sich gut anhört. In anderthalb Stunden werden die jungen TeilnehmerInnen des Projekts „Kultur macht Freude“ ihren Eltern vorspielen, was sie in fünf Tagen im ersten Workshop-Modul „Rhythmus“ während der Märzferien gelernt haben.
Die achtjährige Taylan sagt: „Wir haben Beatbox geübt, das Trommeln macht Spaß und die Geräusche klingen gut.“ Viele Kinder, die am Workshop teilnehmen, spielen bereits ein Instrument, die meisten davon Geige im Kinderorchester Mosaik. Hinter dem Orchester steht der Verein Migrakult, der Kinder und Jugendliche aus Osdorf musikalisch fördern und dadurch kulturelle Teilhabe ermöglichen möchte. Die 20 Geigen für das Orchester wurden mit 5.500 Euro vom Hamburger Spendenparlament finanziert. Wenn keine Ferien sind, wird zweimal pro Woche in der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule (GSST) geprobt.
„Wir wollen gezielt Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil ansprechen“, sagt Vorstand Ismail Kaplan, der Ehemann von Dozentin Aylanur Kaplan. Weiteren Rückenwind dürfte der Verein am 30. März erhalten, wenn er – wie die Kaplans hoffen – von der Bezirksversammlung als einer von zwei Preisträgern des diesjähriger Altonaer Kinder- und Jugendpreises geehrt wird. Der Preis ist mit 1.500 Euro dotiert. Nachdem der Verein „Musiker ohne Grenzen“ 2022 nach acht Jahren den professionellen Musikunterricht aus finanziellen Gründen einstellen musste (siehe Westwind März 2022), gibt es nun endlich wieder ein Angebot, das die entstandene Lücke im Stadtteil zumindest teilweise schließen kann.
Lang – lang – lang – lang – kurz – kurz. Die Kinder sind jetzt im Groove, wie ein Popmusikkritiker schreiben würde. In der Ecke des Bewegungsraums sucht Ismail Kaplan am Laptop ein Lied, das seine Frau den Kindern vorspielen möchte. „Doch nicht das“, sagt Aylanur Kaplan, rote Haare, Lederhose, Stiefel. Sie läuft kopfschüttelnd zum Computer, um die richtige Musikdatei zu suchen. Wer das sieht, weiß um die Aufgabenverteilung bei Migrakult: Die temperamentvolle Frau Kaplan kümmert sich um die Musik, während ihr eher bedächtiger Ehemann für die Organisation und Einwerbung von Fördermitteln zuständig ist.
Am Ende des ersten Projektmoduls, das der Verein gemeinsam mit der GSST und der Alevitischen Gemeinde Hamburg auf die Beine stellt, gibt es eine Bescheinigung: In 30 Stunden haben die Kinder unter anderem Rhythmusgefühl entwickelt und Tanzschritte gelernt. Im Mai folgt das zweite Modul: „Kaleidoskop“, dann lernen die TeilnehmerInnen weitere Instrumente kennen und machen Stimmübungen. Zum Abschluss ist im Oktober ein gemeinsamer Konzertbesuch geplant.
Lang – lang – lang – lang – kurz – kurz. Das Lied, das die Kinder zum einprägsamen Rhythmus singen, ist ein Ohrwurm. Einige der Mädchen singen es spontan in jeder Pause des Workshops. Sie werden es später ihren Eltern noch tagelang zu Gehör bringen. „Musik macht eben Spaß“, sagt Aylanur Kaplan und lacht.