Ein Kommentar
Können Sie sich noch an den Großflughafen Kaltenkirchen erinnern? Genau, im Wahlkampf 1974 als Ersatz für den Airport in Fuhlsbüttel versprochen, wegen der Ölkrise auf 1976 verschoben und am Ende nie gebaut. Nicht wenige glauben, dass der Schnellbahnanbindung von Osdorf, Lurup über Bahrenfeld ein ähnliches Schicksal bevorsteht. Für diesen Pessimismus lassen sich viele Gründe finden.
Selbstkritik, wie sie Ole Thorben Buschhüter (SPD) übt, ist angebracht. „Hamburger Politik hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, als 1974 die Planung für die damalige U4 in Richtung Osdorfer Born eingestellt wurde. Es gab damals Gründe dafür“, sagte der SPD-Abgeordnete im Verkehrsausschuss der Bürgerschaft im Juni. „Noch schlechter ist, dass nachfolgende Politikergenerationen und Senate die Planungen nie wieder aufgenommen haben.“
Die Geschichte von 50 Jahren verkorkster Schnellbahnanbindung, wozu auch die Stadtbahn gehört, lassen sich auf einen Nenner bringen. Hamburger Stadtregierungen an denen SPD, CDU, FDP und Schill-Partei beteiligt waren, beerdigten Schienenpläne für Lurup und Osdorf regelmäßig dann, wenn sie ans Ruder kamen. Die Grünen fehlen in dieser Aufzählung, sie gehörten dem Senat nicht mehr an, als die CDU Ende 2010 die Stadtbahn stoppte.
Seit fast zehn Jahren liefert die Politik nun wieder Argumente für Optimisten. Seitdem plant ein Senat von SPD (bis 2015) und SPD und Grünen erneut den Anschluss der beiden Stadtteile an das Schienennetz. Im Koalitionsvertrag legte Rot-Grün fest, den Bau einer U5 im Osten und Westen der Stadt möglichst gleichzeitig zu beginnen. Nachvollziehbar, denn die Stadtregierung muss für gleichartige Lebensverhältnisse sorgen. Bekanntlich kam es anders. Im Osten laufen die Bauarbeiten, im Westen befindet sich das Projekt noch nicht einmal in der Vorplanungsphase. Wer in der Hamburgischen Verfassung einen Artikel sucht, der vorschreibt, dass Verkehrsprojekte zwingend im Osten der Stadt beginnen müssen, wird nichts finden. Warum Bramfeld anders als Bahrenfeld behandelt wird, die Großsiedlung in Steilshoop eher angebunden wird als die im Osdorfer Born, ist nur für Pessimisten erklärbar, die auf ein Machtgefälle zwischen einzelnen SPD-Kreisverbänden verweisen. Für eine Partei, die verspricht, „die ganze Stadt im Blick“ zu haben, kann das keine Rolle spielen.
Wer optimistischer in die Welt blickt, hob beide Daumen, als Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Juli 2019 den Bau der S32 verkündete, deren Ausbau der Senat energisch zu betreiben gedenke. Dass in Bahrenfeld die geplante Science City und das an der Trabrennbahn geplante Wohngebiet angebunden werden können, liefert weitere Argumente.
Vier Jahre später scheint der Senat allerdings selber nicht mehr voll von der S32-West überzeugt zu sein, was am Geld, Desy und der Deutschen Bahn liegt. Die Strecke ist trotz aller Bemühungen noch nicht wirtschaftlich, sie würde nach heutigem Stand keine Förderung vom Bund bekommen. Hamburg alleine kann sich die S32 aber nicht leisten. Der Spielraum der Stadt wird durch die steigenden Kosten der U5 eingeschränkt. Die Strecke zwischen Bramfeld und der City Nord sollte ursprünglich 1,75 Milliarden Euro kosten, inzwischen sind es 2,86 Milliarden Euro. Das vom Westwind im Transparenzportal aufgestöberte „Desy-Erschütterungsgutachten“ hat für die S32 zur Folge, dass die Strecke nun mit einer seltsamen Delle 2,4 Kilometer in Sichtweite an vielen wissenschaftlichen Arbeitsplätzen und den Arenen ohne Halt vorbeifahren soll.
Der von der Deutschen Bahn geplante „Verbindungsbahnentlastungstunnel“ sorgt dafür, dass sie nur über die Dammtor-Strecke fahren kann und später nicht „upgradefähig“ ist, wie es NahverkehrHamburg-Herausgeber Christian Hinkelmann beschreibt.
Der Senat hält sich offenbar wegen der aufgezählten Schwächen der Strecke weiter eine Hintertür offen. Dies zeigen die am 12. Juli ins Transparenzportal eingestellten Ausschreibungsunterlagen für die U5-West, die eigentlich an den Arenen enden sollte. Völlig überraschend besteht nun wieder die Möglichkeit, dass die U5 weiter in Richtung Westen verlängert wird. Zwei Möglichkeiten werden genannt: Für den Fall, dass die S-Bahn nur bis Bahrenfeld gebaut werde, soll zusätzlich untersucht werden, ob die U5 bis zum Osdorfer Born fahren könne. Auch eine Verlängerung der U5 bis Lurup Mitte wird geprüft, wo ein Umstieg in die S-Bahn zum Osdorfer Born möglich sein soll. Frühestens ab dem 1.7.2024 und spätestens bis zum 30.6.2025, so heißt es in den Ausschreibungsunterlagen, soll die Entscheidung zur Streckenführung der S32 getroffen sein.
Damit Osdorf, Lurup und Bahrenfeld nicht zum zweiten Kaltenkirchen werden, braucht es nun einen klaren politischen Willen, nach 50 Jahren endlich zu bauen. Frei nach Willy Brandt kann das nur heißen: „Mehr Schiene wagen!“
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