Den beiden charmanten Häusern aus der Gründerzeit Weidenallee 53/55 droht der Abriss, der Eigentümer möchte dort einen Neubau mit Tiefgaragen errichten. Von Matthias Greulich.
Es gab eine Zeit, da lag Eimsbüttel weit draußen vor der Stadt. Reiche Kaufleute bauten sich dort Villen, bevorzugt im englischen Stil. Nach Hamburg fuhr man mit der Kutsche, was einige Zeit dauerte, wie sich Tony Buddenbrook im Roman von Thomas Mann beklagt. Sie wollte lieber zentral in der Spitalerstraße wohnen, doch ihr unseliger Ehemann Grünlich kaufte ihr ein Haus in der Vorstadt. Einige dieser Gründerzeitgebäude aus dem 19. Jahrhundert stehen noch – den beiden charmanten Häusern Weidenallee 53/55 droht nun der Abriss. Nach Informationen der taz hat das Bezirksamt Eimsbüttel dem Hauseigentümer Lukas Lenz die Genehmigung dazu bereits erteilt.
Das nördliche Schanzenviertel ist seit Jahren Kampfzone der Gentrifizierung, jetzt ist das benachbarte Eimsbüttel-Süd an der Reihe: Das Planungsbüro „Plan Zwei“ hat in einer Studie festgestellt, es gebe Anzeichen für einen „anhaltenden Verdrängungsdruck“ im Gebiet. Der Bezirk Eimsbüttel hat auf dieser Grundlage eine soziale Erhaltungsverordnung empfohlen. Die Sache liegt nun bei der Stadtentwicklungsbehörde, letztlich entscheidet der Senat. Solange die Verordnung nicht in Kraft ist, „gibt es keine Rechtsgrundlage, Abbrüche zu verhindern“, sagt Sprecherin Jutta Bechmann vom Bezirksamt Eimsbüttel, zumal „beide Gebäude nicht in der Liste der erkannten Denkmäler stehen“.
Wenn man mit den Mietern und dem Eigentümer spricht, scheinen sie von unterschiedlichen Gebäuden zu reden: Für die einen ist es das schönste Haus in der Weidenallee, für den anderen eine Energieschleuder in der Baulücke zwischen der auf dieser Straßenseite üblichen fünf bis sechsgeschossigen Bebauung. Eigentümer Lenz hat es eilig, Fakten zu schaffen, bevor die Erhaltungsverordnung zu greifen beginnt. Vor einigen Wochen bekamen die sieben Mietparteien das Angebot für einen Aufhebungsvertrag ihrer Mietverträge: Zum 1. Dezember 2012 müssten sie ausziehen, 2013 will Lenz die Häuser abreißen lassen und neu bauen. Auf sein Angebot haben weite Teile der Mieter bislang nicht reagiert: Sie wollen in ihren Wohnungen bleiben, für die sie zwischen acht und neun Euro Warmmiete pro Quadratmeter zahlen. Zu diesem Preis lässt sich auf dem kollabierenden Wohnungsmarkt in Eimsbüttel nichts Vergleichbares finden.
Im Elbe Wochenblatt preist Lenz die Vorteile eines Neubaus mit Tiefgarage: „Wir haben die Häuser vor 15 Jahren aus der Zwangsverwaltung gekauft, da waren sie in einem verwahrlosten Zustand. Im momentanen Zustand ist das Gebäude schlecht isoliert und erfüllt nicht mehr die modernen energetischen Anforderungen. Mit dem Neubau wird deutlich mehr Wohnraum geschaffen. Ich gehe davon aus, dass im Erdgeschoss auch Gewerbeflächen entstehen.“
Es wäre nicht der erste Abriss in den letzten Jahren. Neu ist allerdings, dass erstmals keine maroden Behelfsbauten aus der Nachkriegszeit betroffen sind, wie beim ehemaligen Machwitz. Dort wird bereits seit Monaten gebaut: Im Luxuskomplex Friedaschanze an der Ecke Altonaer Straße/Schanzenstraße sind nur noch vier Loftwohnungen zu haben – zum Kaufpreis von mindestens 322.500 Euro.
Der Text ist am 10. Januar 2011 in der taz erschienen.
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